Der Aromen-Entdecker
Beste Allgäuer Küche mit viel Liebe zum Detail
Genau so definiert Erik Wendt die Küche im Hotel Das Rübezahl. Modern, aber nicht abgehoben, bodenständig, aber nicht von gestern, weltoffen und heimatverliebt. Nur: Wie macht man das? „Ganz einfach“, sagt der Küchenchef und zaubert ein dickes weißes Buch hervor. „Mit dem hier, mit Liebe zum Beruf, einer tollen Mannschaft und mit genug Zeit, um aus besten Zutaten jeden Tag frisch zu kochen!“
Das weiße Buch ist so etwas wie der dicke Wendt. Ein Kochbuch, in dem der 1980 im Harz geborene Küchenchef seine Rezepte aus vielen Jahren in einigen der besten Küchen Deutschlands verewigt. Es gibt Rezepte aus der Zeit am Fürstenhof in Celle, aus Michael Lachers Alter Sonne in Ludwigsburg, aus dem Steigenberger in Zingst und dem Berghof St. Johann. Noch wichtiger aber: „Dieses Buch bekommt bei uns jeder Azubi“, sagt der Küchenchef, dem die Ausbildung junger Kollegen sehr am Herzen liegt. „Das Buch enthält so ziemlich alle wichtigen Grundrezepte. Wenn man die kennt und weiß, was wie zusammenpasst, kann man auch neue Rezepte entwickeln, Trends aufgreifen und immer wieder neues Glück zum Löffeln servieren.“
Dieses „Glück zum Löffeln“ blubbert derweil aber noch in einem großen Bräter bräsig vor sich hin. „Das wird Jus aus gerösteten Kalbsknochen“, erklärt Erik beim Gang durch die Küche, in der jeden Tag mindestens ein Ansatz gemacht wird, um immer die perfekt passende Sauce zu haben. Mit Bier zum Schweinsbraten, als Dashi aus Pilzen für Vegetarier, schön fruchtig für die Ente oder eben mit richtig Wumms wie die Kalbsjus, die am Ende fast sirupartig eingekocht wird. „Reduktion bringt den Geschmack hervor“, erklärt der Küchenchef. „Und damit können wir auf Geschmacksverstärker komplett verzichten. Sieh dich ruhig um: Mariahilf und solche Sachen wirst Du bei uns nicht finden.“
Dieses handwerkliche Arbeiten macht auch die vegetarischen und veganen Gerichte im Rübezahl so lecker. „Wir spüren, wie sich die Ernährungsgewohnheiten und Vorlieben unserer Gäste langsam ändern und stellen uns da gern drauf ein“, sagt Erik Wendt und erzählt mit leuchtenden Augen von Johannes „Jojo“ Graßl, dem Postenspringer und Käsemacher in der Küche des Rübezahl. „Jojo hat die Pandemie-Zeit genutzt, um ein vegetarisches Kochbuch zu schreiben. Absolut großartig, wenn du mich fragst!“
Erik und der Aromenkreis
Erik und seine Köche arbeiten wie viele moderne Küchenchefs nach dem Prinzip des Aromakreises. Ziel ist es, mit verschiedenen Aromen und Texturen alle Sinne anzusprechen. Ausgangspunkt ist stets ein Grundprodukt und die Frage: Was passt dazu am besten? „So kommt man dann zum Beispiel auf das Lamm mit der Amarenakirsche“, sagt Erik und man merkt daran, wie er plötzlich gestikuliert, der Mann kann Aromen regelrecht greifen, fühlen, spüren! Ich denke: Was für eine schöne Gabe, aber Erik sagt nur bescheiden:
„Das ist schon so ein bisschen unsere Handschrift: heimische Produkte, kombiniert mit internationalen Gewürzen, Ideen und Aromen. Wenn Du so willst: Allgäu reloaded.“
Angesichts der vielen Gläser mit selbst eingelegten Mairübchen, Löwenzahn-Kapern, Brokkoli-Stängelchen und Möhren von einer bienenfleißigen Küchenmannschaft zu reden, führt einen schnell zur privaten Seite von Erik Wendt. In seiner Freizeit kümmert sich der Küchenchef und Kochbuchautor um eine halbe Million Arbeiterinnen. Zwölf Völker hat der Hobbyimker entlang blühender Löwenzahnweiden und bei den Bergkräuterwiesen verteilt. Mindestens einmal die Woche ist der Küchenchef draußen bei seinen Bienenvölkern, guckt nach dem Rechten und kümmert sich um die Tiere. Klar, dass es eigenen Honig im Rübezahl gibt – gern sogar als ganze Wabe auf dem Frühstücksbuffet. „Für mich geht es beim Imkern um viel mehr als nur um Honig. Imkern ist das perfekte Anti-Stress-Programm und es ist superspannend“, sagt Erik Wendt. „Wenn du fahrig bist, nervös – dann spüren das die Bienen und bestrafen dich. So lernst du, dich selbst unter Kontrolle zu haben und besonnen zu bleiben.“
Ruhig, aufgeräumt, professionell und mit guter Stimmung
Genau so geht es am Abend auch in der Küche zu. Das Menü hat man wie immer gemeinsam entwickelt und besprochen, die Posten sind klassisch französisch verteilt und die 15-köpfige Mannschaft in der Rübezahl-Küche ist bestens vorbereitet, um Gästen so ziemlich jeden kulinarischen Wunsch zu erfüllen. „Wir achten sehr auf Saisonalität“, schränkt Erik Wendt ein. „Bei uns gibt es daher keinen Spargel Anfang März und keine Erdbeeren im November.“ Stattdessen finden sich im Herbst Allgäuer Steinpilze auf der Karte, die Schwangauer Jagdgenossenschaft bringt die eine oder andere Gams und im Sommer gibt es die ganze Vielfalt süddeutscher Gemüsegärten, die dann auch gern mal eingelegt und gepickelt wird. Salat von der Reichenau, Lamm vom Bauern in Pfronten, Alpenlachs, Forellen und Saibling aus der Fischzucht Tirol und Eier vom Nachbarn in Schwangau, an dessen Hühnern man vorbeiwandert, wenn man mit Bergführer Basti einen Ausflug macht. „Wir unterstützen sehr gern heimische Bauern und kleine Betriebe, die ihrem Handwerk mit Liebe nachgehen“, sagt Erik. „Gleichzeitig aber haben wir große Freude daran, der alpenländischen Küche einen neuen Twist zu geben.“
Dafür stehen heute erst einmal 30 Kilogramm Amalfi-Zitronen in der Küche. Gibt das eine Cocktailparty? „Nicht ganz! Wir kochen Zitronen-Chutney und legen Salzzitronen ein“, sagt Erik. „Das ist eines der Geheimnisse, warum bei uns die Sauce zum Fisch so gut ist. Milchsauer eingelegt wird die Zitrone zu einer echten Aromabombe! Ganz rund, ganz harmonisch – das musst du nachher mal probieren!“
Wie Erik das mit dem neuen Twist für die alpenländische Küche meint, erkundet man am besten mit Messer und Gabel im Gams & Gloria. Seine Ente zum Beispiel, rosa gebraten, mit Kopfsalat und einer Remoulade von Ingwer und Shosu – zum Reinlegen! Großartig auch das Reh als Tatar, das im Rübezahl von Hand geschnitten und dann mit Ei, Sardelle, Kaper, Petersilie, hausgemachtem Tabasco (!), feiner Schalotte, etwas Senf und frischen Kräutern angemacht wird. Wenn man so will: Bambi in Bestform! Ähnlich famos ist das Roastbeef auf Morchel-Ragout, das den Schluss nahelegt, dass Erik nicht nur die besten Steinpilz- und Pfifferlingswälder im Allgäu kennt…
Zur Person
Erik Wendt wurde 1980 in Aschersleben am Harz geboren und wuchs in Bitterfeld auf. Seine Lehre absolvierte er im Leipziger Mercure-Hotel, danach wurde er von Michael Lacher (Alte Sonne, Ludwigsburg) entdeckt und gefördert. „Dafür bin ich bis heute sehr dankbar. Er hat in mir Sachen gesehen, die er in den besten Azubis von der Traube Tonbach in Baiersbronn nicht gesehen hat. Ein Riesenglück für mich!“ Von Ludwigsburg ging es nach Celle (ins Paleo im Fürstenhof), über das Steigenberger Strandhotel in Zingst und das Helvetica in Lindau im Jahr 2011 nach Schwangau zum Hotel Das Rübezahl, wo er seit 2019 Küchenchef ist. „Ich glaube, ich bin angekommen“, sagt der Familienvater. „Denn das Rübezahl und die Familie Thurm ist mit ihren Gästen, der ganzen Belegschaft, der Lage und allem einfach etwas ganz Besonderes!“