Himmlisch geerdet
Dass der Märchenkönig Ludwig der Zweite hier seine glücklichsten Jahre verbracht haben soll, das glaubt man sofort. Die Landschaft der Ammergauer Alpen ist mal so imposant wie eine Wagner-Oper und dann wieder zart-verspielt wie eine Klaviersonate von Debussy. Beide waren übrigens Zeitgenossen des unverstandenen Königs, den die Bayern bis heute liebevoll ihren „Kini“ nennen.
Wer sich auf die Natur der Ostallgäuer Alpen einlässt, der wird geerdet. Mit jedem Schritt wird der Rucksack nicht schwerer, sondern ein bisschen leichter: Ärger, Stress, Alltagssorgen – Stück für Stück werden sie weniger, um schließlich zu verschwinden.
Vorbei geht es an einem kleinen Gebirgsbach durch schattige Wälder. Entfernt sind ein paar Kuhglocken zu hören. Die Luft riecht herrlich würzig, ein paar bunte Schmetterlinge tanzen über den Weg: Entschleunigung pur.
KÖNIGLICHE AUSSICHTEN GARANTIERT
„Ein Urlaub reicht nicht aus, um alles hier zu erleben“, hat Gastgeber Erhard Thurm zum Aufbruch gesagt. Beim Blick auf die Wanderkarte wird klar, was er meint. Wer das Traumland des Märchenkönigs erkunden will, braucht Zeit. Die Wanderung zur Rohrkopfhütte dauert eine gute Stunde, wenn es noch weiter hoch auf den Tegelberg – den Hausberg von Schwangau – soll, sind es rund drei Stunden. Oder doch gleich auf den 2047 Meter hohen Säuling? Er gilt als der majestätischste Gipfel der Ammergauer Alpen.
Der Aufstieg ist allerdings nichts für Konditionsmuffel. Ein paar Bergziegen-Gene braucht man da schon…
Wobei es auch einfacher geht – auf dem Schutzengelweg. Zwischendrin gibt es immer wieder Stellen, die zum Ausruhen einladen. Wie zum Beispiel eine kleine Felsformation, die an den Granitabbau im Ostallgäu um die Jahrhundertwende erinnert. Die Holzbänke entlang des Wegs sind so aufgestellt, dass man wahrhaft königliche Ausblicke genießen kann. Die Schlösser Hohenschwangau und Neuschwanstein grüßen majestätisch aus der Ferne, dahinter der Forggensee und drum herum viel unberührte Natur. Hier wachsen noch streng geschützte Pflanzenarten wie die Türkenbundlilie oder das Gefleckte Knabenkraut.
GEHEIMTIPPS VON EINHEIMISCHEN
Man muss kein echter Bergfex sein, um sich hier wohlzufühlen. Hier geht es nicht um „das Machen“ von Höhenmetern, sondern um das Genießen. „Einer unserer Geheimtipps ist die Schluchtenwanderung im Ammergauer Naturschutzgebiet, das kennen selbst die Einheimischen kaum“, sagt Hotelier Erhard Thurm. Seine Frau Giselle ergänzt: „Außerdem gibt es hier jede Menge kulturelle Angebote: Neuschwanstein und Hohenschwangau sollte eigentlich jeder mal besucht haben. Und dazu das Museum der bayerischen Könige in Schwangau.“ In dem einstigen Grandhotel Alpenrose, das nach einem langen Dornröschenschlaf zum Museum wurde, kann man sich auf eine Zeitreise durch die Dynastie der Wittelsbacher begeben. Hier wird Geschichte lebendig, sie erzählt nicht nur vom Märchenkönig, sondern auch von der regen Bautätigkeit der bajuwarischen Herrscher, der Industrialisierung Bayerns und dem Ende der Monarchie. „Und dann noch unsere schönen Seen“, lächelt Giselle versonnen und gibt damit der Freizeitplanung noch mal Nachschub.
AUFTANKEN UND RUNTERKOMMEN
Auf der Rohrkopfhütte ist erst mal Entspannung angesagt. Bei Bier und Brotzeit schweift der Blick über die unfassbar schöne Landschaft und der Entdeckergeist ist geweckt. Schwimmen im Forggensee? Eine Genussradtour durchs Schwangauerland? Mit dem Mountainbike zur Jägerhütte? Oder Nordic Walking? Erhard Thurm lacht: „Wir haben es ja gesagt – ein Urlaub reicht nicht aus!“ Okay. Dann im Winter zum Schneeschuhwandern!